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Interpretationen zum Fotomarathon Düsseldorf am 11.6.16

Ich möchte in diesem Beitrag von meinen Ideen, Erfahrungen und Umsetzungen dieses Fotomarathons in Düsseldorf erzählen. Der 4. Fotomarathon Düsseldorf (FMD) war am 11.6.16. 

 

Es ging um mehr oder weniger bekannte Theaterstücke.

Es waren insgesamt acht Themen zu bearbeiten:

  1. “Viel Lärm um nichts” (hier muss auch die dreistellige Startnummer erscheinen)
  2. “Hotel zur schönen Aussicht”
  3. “Ein idealer Gatte”
  4. “Zieh den Stecker raus, das Wasser kocht"
  5. “Die Stützen der Gesellschaft”
  6. “Die Komödie der Irrungen”
  7. “Ja. Tu es. Jetzt.”
  8. “Wir sind schon weiter”

Das FMD Oberthema für alle acht Einzel-Aufgaben, in sechs Stunden und genau in der vorgegebenen Reihenfolge, ist Drama Baby! Drama sind Texte mit verteilten Rollen, also im Dialog. Die Einteilung der Akte des Dramas lässt sich in unterschiedlichen Bildern darstellen. Im Archiv findet ihr die Bilder der Platzierten ... ich war glücklich auf der Shortlist und bin am Ende auf dem 18. Platz gelandet.


Viel Lärm um nichts

Hier das Ergebnis … Vorhang auf und zu … Viel Lärm um Nichts – viel Lärm um ein Nichts – und dann die Startnummer darunter. Umgesetzt im Spiegelbild, also auch die Zahl auf dem iPhone spiegeln, genau wie die vielen Lärms und das eine Nichts. Das war ein Spaß mit dem kleinen Spiegel ;-))

 

„Und wenn du den Eindruck hast, dass das Leben Theater ist, dann such dir eine Rolle aus, die dir so richtig Spaß macht.“ William Shakespeare


Hotel zur schönen Aussicht

"Die Komödie ‚Zur schönen Aussicht‘ ist eines der ersten Theaterstücke von Ödön von Horváth (1901–1938). Es wurde 1926 geschrieben, aber erst 1969 in Graz uraufgeführt. Vorbild für die Pension zur Schönen Aussicht war nach einer Aussagen von Horváths Bruder Lajos eine windige Pension in Murnau und die Figuren hätten reale Vorbilder. Das Stück spielt in einem heruntergekommenen Hotel, das kurz vor dem Bankrott steht. Hier sind mehrere Personen mit zweifelhafter Vergangenheit als Personal untergekommen, aber bis auf einen Dauergast gibt es schon lange keine zahlenden Hotelgäste mehr." Quelle: Wikipedia

 

Ich ging vom Treffpunkt NRW-Forum in Richtung Ergo Zentrale und kam am Südflügel des Gebäudes der Bezirksregierung an der Cecilienallee in DU-Pempelfort vorbei. Laut Wikipedia wurde dieses Gebäude 1907–1911 nach Plänen von Traugott von Saltzwedel im Stil des Neobarock erbaut und 1911 eingeweiht. Seinerzeit als repräsentativer Sitz der Königlich Preußischen Regierung zu Düsseldorf errichtet, ist das Gebäude heute die Zentrale der Bezirksregierung Düsseldorf.

 

In dem Moment war dies für mich die passende Location. Mein Foto „Hotel zur schönen Aussicht“ zeigt das historische Gebäude und ist beileibe kein Hotel. Das war mir zu vordergründig und nahe liegend. Bei einem Wettbewerb sammel ich für den eigenen Stil erst eine Vielzahl von Ideen, um am Ende vielleicht die fünfte oder sechste Überlegung zu wählen. Ich mag es, wenn mindestens zwei reale und zwei hintergründige Ebenen auf den Bilden zu erkennen sind.

 

Ada Freifrau von Stettens – Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.

 

Bei der 2. Aufgabe des FMD geht es mir um den Zeitgeist der 20er Jahre und um die Theatervorlage. Etwas heruntergekommen, die beste Zeit schon hinter sich und trotzdem können die Besitzer, die Angestellten und der Gast des „Hotels“ jeden Tag den Blick in den Spiegel und den Ausblick vom Balkon mit etwas Wehmut genießen. Jetzt gilt es die ideale Position, den Winkel, das Licht und die Ausschnitte für die Spiegelfläche und die Umgebung zu komponieren.


Ein idealer Gatte

„Ein idealer Gatte“ ist eine englische Komödie aus dem Jahre 1894 von Oscar Wilde. Laut Wikipedia handelt das Stück von einer politischen Intrige und Liebe in der Londoner High Society. Das Theaterstück spielt zur Zeit der Jahrhundertwende innerhalb von 24 Stunden. Die Geschichte spielt zwar vor mehr als 100 Jahren, aber es geht um zeitlose Themen wie Insidergeschäfte, Politik und Moral, Erpressung und die Macht der Presse, Liebe und Vertrauen. Witzige Wendungen machen die Lektüre auch heute noch zum Vergnügen. 

 

 

„Ich liebe es, über nichts zu reden. Das ist das Einzige, wovon ich etwas verstehe.“ – Lord Goring

 

Tja, was macht man damit? Erst wollte ich ein draußen speisendes Paar in einer Pizzeria knipsen. Aber das war mit meiner eigenen „Drama Baby“ Vorgabe – sprich nur das kleine Spiegelbild abblichten – sehr schwer möglich. Dann entdeckte ich auf der Kaiserstraße den Brautkleider Laden LILLY mit einem netten Puppen-Kinderpaar im Schaufenster. Die waren sehr geduldig ;-)) UND sie hatten historische Kleider an. Aber im Geschäft selber herrschte am Samstag Mittag heftiges Treiben. Es sind mir immer wieder Leute durch das kleine Bild auf meinem Klappspiegel gehuscht. Das war eine echte Geduldsprobe. Hier sollten die Hochzeits-Kinder-Gesichter im Fokus stehen und die Umwelt, neben dem Spiegelrand, nicht als die umgebende Toreinfahrt zu erkennen sein.


Zieh den Stecker raus, das Wasser kocht

Auf der Ephraim Kishon Webseite erfahren wir mehr über das Theaterstück, welches für den Fotomarathon Düsseldorf FMD als 4. Aufgabe gewählt wurde. Der schüchterne Maler Raphael hat wenig Erfolg mit seiner an alten Meistern orientierten, »fast realistischen« Malweise. So muss er sich mit Aufträgen von »Gurfinkel & Co.« über Wasser halten. Nur seine Freundin Dahlia, die gleichzeitig sein Modell ist, glaubt an ihn und gibt ihre eigenen Porträts bei ihm in Auftrag: Da kommt der bekannte Kunstkritiker Kalman M. Kaschtan in Raphaels Atelier.

Aber dieser findet keinen Gefallen an Raphaels Werken, bis sein Blick auf eine zufällige Konstruktion fällt. Diese besteht: aus einem Tisch, darauf ein Stuhl mit abgebrochenem Bein, der durch eine Bibel am Umfallen gehindert wird; darüber wiederum ein Schemel mit einem, sich gerade im Betrieb befindenden Teewasserkocher; außerdem eine an den Stuhl angelehnte Leinwand mit einigen Farbspritzern. Als Kalman M. Kaschtan nun nach dem Titel dieses »Kunstwerks« fragt, kommt von Dahlia vollkommen unabhängig von der Frage der Kommentar: »Zieh den Stecker raus, das Wasser kocht«. Kalman M. Kaschtan hält diese Aufforderung an Raphael für den Titel des Werkes, er ist hellauf begeistert.

 

Der Rembrand-Verehrer Raphael wird von der ihm entfremdeten Kunstszene als Mobiliarist gefeiert und hat großen Erfolg, aber lange hält er die Verwechslungskomödie nicht aus. Unfähig sich für etwas feiern zu lassen, das er verachtet, rechnet er am Ende mit der modernen Kunst und ihrer absurden Vermarktung von Schrott ab.

 

Wie habe ich es mir überlegt und umgesetzt?

 

Der Wasserkocher mit Stecker, der Stuhl, der Tisch sowie eine Bibel waren gerade nicht parat. Ein paar Mitstreiter des Wettbewerbes sind wohl nach Hause gegangen und haben die Szene mit einem dampfenden Wasserkocher, wie es der Titel suggeriert, so abgelichtet. Ich war zu diesem Zeitpunkt genau in der Altstadt in Höhe des Uerigen. Im Innenraum der Gaststätte habe ich mit einem Stuhl, dem Tisch und Bierdeckel als Bibel experimentiert. Das passende Abbild habe ich erst im kleinen Handspiegel gesucht und den Stuhl mit den Untersetzern drapiert. So ging es eine ganze Weile mit dem Experimentieren weiter. Oben und unten im Wechsel rausgesucht, aber mich am Ende für eine Diagonale von gespiegelter Tischseite und dem mit Bierdeckeln ausgeglichenem Stuhlbein.

 

Das Uerige Altbier bzw. die Bierdeckel sind dann die Seele und eine gute Grundlage für alles. Interessant fand ich später die angedeutete Dino-Silhouette, die sich von links ins Bild beißt. Absurd, skurril … Vorhang auf und zu … 


Die Stützen der Gesellschaft

Ich zitiere aus der Programmübersicht des Theater Kiels: Karsten Bernick ist der Mann des Orts: Als Konsul wacht er über die politischen Entscheidungen einer norwegischen Kleinstadt, als Werftbesitzer ist er der größte Arbeitgeber der Stadt und als Mäzen und Moralist huldigen und feiern ihn die Bürger. Sein Name gilt als Symbol der Rechtschaffenheit und seine Frau und der Sohn als bewundernswerte Vorzeigefamilie.

 

Unter dem Mantel der Souveränität schimmern jedoch ein dunkles Geheimnis und die ein oder andere Korruption: Das Eisenbahnprojekt, das die Stadt schon lange plante, hat er nicht ganz uneigennützig verhindern können, die Arbeitsbedingungen auf der Werft entsprechen auch nicht dem Standard und die überstürzte Auswanderung der eigenen Verwandtschaft vor Jahr und Tag ließ den ein oder anderen Zweifel zurück. Als jetzt die lang vermisste Tante samt Schwager mit dem Schiff aus Amerika im Hafen der Kleinstadt eintrudelt, drohen die Lebenslügen des Konsuls aufgedeckt zu werden.

 

Henrik Ibsens Gesellschaftspanorama aus dem Jahr 1877 ist das erste große Stück des Autors, das bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat. Einem Spiegel gleich führt es politische Seilschaften vor, wankelmütige Moralisten und der unbeschwerte Umgang mit der Doppelmoral. Eine gesellschaftliche Analyse, die scharf und erschreckend aufzeichnet, wie wirtschaftliche Interessen ein solides Gewissen langsam zu ersticken drohen. Quelle: Theater Kiel

 

Halten wir uns noch oft genug den Spiegel vor?

 

Das passte doch wunderbar zur Location, dem NRW Landtag gleich am Rheinufer. Die tragenden Säulen, die spiegelnden Fassaden, das Wasser, welches abperlt oder gleich den Rhein runter fließt, die Rheinbrücke mit den Pfeilern, die überlappenden Spiegelbilder und die Reflektionen im starken Kontrast. Zur Krönung gesellen sich dazu die beiden Menschen mit Blickkontakt, als die eigentlich tragenden Säulen der Gesellschaft, im Gleichschritt von links nach rechts laufend.


Die Komödie der Irrungen

Zwei Zwillingspaare stehen im Zentrum dieser Verwechslungskomödie: Antipholus von Ephesus und Antipholus von Syrakus wurden schon in der Kindheit getrennt. Beide haben jeweils einen Diener namens Dromio, die ihrerseits auch Zwillinge sind. Als sich Antipholus von Syrakus auf die Suche nach seinem Zwillingsbruder in Ephesus begibt, kreuzen sich die Wege des einen Herrn mit des anderen Diener und umgekehrt. Die Handlung der Shakespeare Komödie hält für die Dramenfiguren eine heillose Verwirrung und ein Wechselbad der Gefühle bereit, das für die Zuschauer von kaum zu überbietender Situationskomik ist. So die Zusammenfassung auf der Webseite der Bremer Shakespeare Company. Ich interpretiere das Stück mit all seinen Ambivalenzen. Wo einer ist, da sind auch zwei oder sind es gleich vier?

 

Wer ist wer? Wo oben ist, da ist auch unten? Oder wie – oder was?

 

Ein subtiler Spaß von Schein und Wirklichkeit. Es ist letztendlich ein verwirrender Trick mit vielen Ebenen. So wie auf dem Foto mit dem Lastkran am Düsseldorfer Medienhafen. Oder ist es tatsächlich der Eiffelturm auf dem Kopf, im doppelten Spiel der Identitäten? Egal, ich hatte viel Freude an dieser Umsetzung


Ja. Tu es. Jetzt

Ja. Tu es. Jetzt. ist ein Zwei-Personen-Stück von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel aus dem Jahr 2003. Uraufgeführt wurde es 2003 vom Jungen Theater Bremen unter der Regie von Nomena Struß. Es war das Eröffnungsstück zum Umzug der Theatergruppe in die neue Schwankhalle. Ja. Tu es. Jetzt. thematisiert die kranken Casting-Situationen, wie sie im Fernsehprogramm inzwischen aber gang und gäbe geworden sind. Hier spielt sich die Situation zwischen einer vorsprechenden Schauspielerin und der Regisseurin ab. Die sadistische Regisseurin demütigt dabei ihr williges Opfer mit in ihrer Intensität ansteigenden Psychospielen immer weiter bis auf das Blut. Quelle: Wikipedia

 

Ich sehe hier meine aus Zorn und Mut geballte Faust als drohendes Machtmittel von draußen und als treibende Entschlossenheit von drinnen. Ja, sagend und hörend, aus sich heraus und in sich rein brüllend. Tu es, gellend denkend und von außen zurufend. Jetzt, als ultimativer Start, das Überwinden des Zögerns.

 

Brechen Sie, wenn man Sie biegt?

 

Bis aufs Blut reizend (mit meiner kleinen Wunde am Daumen), mit allen Tricks ausgestattet, wird versucht, das willige und publikumsgeile Opfer, in die gewünsche Rolle zu zwingen. Ist es krankhafter Ehrgeiz oder doch Masochismus? Wie weit würdest du gehen? Sag es mir, wenn du dich das vor dem Spiegel fragst.


Wir sind schon weiter

Das Stück "Wir sind schon weiter" von Gustav von Wangenheim hatte die Uraufführung 1951 am Theater der Freundschaft in Berlin. „In diesem Spiel, das in lebendigen Szenen das Wachsen der Friedensbewegung und des Gedankens der Einheit zeige, sind junge Bauern, Landarbeiterinnen, Traktoristen die handelnden Personen. […] Das Stück „zeigt zwei Menschen, Mutter und Tochter, die durch den Krieg getrennt wurden und die die deutsche Nachkriegswirklichkeit so verschieden erleben, dass sie bei ihrer Wiedervereinigung zunächst nur im Gefühl, nicht aber im Denken übereinstimmen. […] Schauplätze der Handlung  sind, […] ein „volkseigenes“ Gut in der Republik und ein Dorf in Hessen.“ Quelle: Neues Deutschland 23.6.1951

 

Das FMD Oberthema für alle acht Einzel-Aufgaben, in sechs Stunden und genau in der vorgegebenen Reihenfolge, ist Drama Baby. Drama sind Texte mit verteilten Rollen, also im Dialog. Die Einteilung der Akte des Dramas lässt sich in unterschiedlichen Bildern darstellen. Als Stilmittel habe ich die konsequente Reflektion, Parallelität, Spiegelung und die Inszenierung eines weiteren Abbildes gewählt. Mit einem kleinen Schminkspiegel in der linken Hand und der Kamera in der anderen Hand gelang mir bei allen Bildern diese Dopplung. Dabei habe ich stets die Spiegelung als Hauptmotiv im Fokus fotografiert.

 

Mal sehen was uns die Zukunft bringt 

 

Am Düsseldorfer Parlamentsufer schweifte mein Blick, auf der Suche nach einer Umsetzung, durch die parallelen Baumreihen, auf den Rhein, über die Rheinkniebrücke oder doch die Passanten? Oder soll ich doch das Naheliegende oder Offensichtliche wählen? Am Ende habe ich das langlaufende Geländer am Ufer ausgesucht. In der Ferne standen ein kleiner transparenter Eisbecher mit Löffel auf dem Geländer. Mit dem Spiegelbild und dem echten Becher konnte ich experimentieren. Wer ist wer, wer ist weiter, oder stehen sie doch am gleichen Fleck. Was ist klar, wer steht zurück? Eigentlich ist es ja der gleiche Becher mit dem Löffel. Also beide vom selben Ursprung, wie die Mutter und die Tochter. Beide stehen zueinander, beieinander, nebeneinander – ist das klar?

 

Mit der Makrolinse habe ich das ‚entfernte’ Spiegelbild in den Fokus gesetzt und den eigentlich nahen Becher mit Bokeh dazugestellt. Die Rheinkniebrücke dient als Symbol des trennenden und des verbindenden, läuft im fernen Hintergrund ins Unendliche …